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Mineralienmuseum Schönenwerd - ein Rückblick

Im Jahr 2003 wurde das weit über die Landesgrenzen bekannte Mineralien- und Meteoritenmuseum Schönenwerd endgültig geschlossen und eine der bedeutendsten Mineraliensammlungen der Schweiz aufgelöst. Im Folgenden werden einerseits noch einmal die wichtigsten Etappen des Museums, ein paar herausragende Exponate der Sammlung sowie Eindrücke der Sammlungsauflösung beschrieben.

Nicht zuletzt wird aber auch aufgeführt, wo einige der bedeutenderen Teile der Sammlung hingelangt sind und hoffentlich irgendwann wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Geschichte

Eduard BALLY-PRIOR (1847-1926), Nationalrat, Mitinhaber der Schuhfabrik Bally und Sohn von Carl Bally dem Firmengründer sammelte während fünf Jahrzehnten im Stil seiner Zeit nach enzyklopädischen Gesichtspunkten verschiedenste Objekte naturwissenschaftlicher und völkerkundlicher Art.

1908-1910 liess E. BALLY-PRIOR für seine umfangreichen privaten Sammlungsbestände ein eigenes Museumsgebäude bauen, welches 1910 in Schönenwerd (Kt. Solothurn) eröffnet wurde. Darin zeigte E. BALLY ein Sammelsurium von Objekten aus den Bereichen Mineralogie, Meteoritenkunde, Zoologie, Ethnologie, Paläontologie, Ur- und Frühgeschichte, Heimatkunde der Umgebung von Schönenwerd sowie Exotika. Die mineralogische Sammlung umfasste über 5'000 Stufen (Mineralien der Schweiz und der ganzen Welt). Damals waren 55 Proben in der Meteoritensammlung. Die paläontologische sowie ur- und frühgeschichtliche Sammlung bestand aus mehr als 5'000 Objekten.


Das Museum auf einer historischen Postkarte.

Am 1. Januar 1923 übergab E. BALLY die Sammlungsbestände - nebst einem namhaften Kapitalbetrag - als "Bally MuseumsstiftungÓder Öffentlichkeit. In der Stiftungsurkunde führt er aus: "Das Museum soll durch seine reichen wissenschaftlichen Sammlungen einen Anziehungspunkt bilden sowohl für Gelehrte, Studierende und Schulen wie auch für das Volk, das sich dafür interessiert."

Das Gebäude war bald zu klein. E. BALLY erweiterte es durch einen Trakt und eröffnete das Museum nach vorübergehender Schliessung wieder kurz vor seinem Tod 1926.

Zwischen 1915 und 1925 beschenkte Eduard BALLY-PRIOR auch die Mineralogisch-Petrographische Sammlung der ETH-Zürich mit zahlreichen Mineralstufen und ganzen Sammlungen - ein paar dieser Exponate sind in der ETH-Ausstellung an der Sonneggstrasse 5 in Zürich öffentlich zugänglich.

Die Bally Museumsstiftung in Schönenwerd war eine unabhängige privatrechtliche Stiftung, die das Museum Bally-Prior betrieb und unterhielt. Von Anfang an standen für diese Aufgabe eher knappe finanzielle Mittel zur Verfügung. Um etwas mehr Gelder zu erhalten und das Museum in der Bevölkerung in wachem Bewusstsein zu erhalten, wurde 1984 der Verein Freunde des Museums Bally-Prior gegründet.

Der Hauptraum mit der Ausstellung "Mineralien der Schweiz" und dem "Makrotisch" - Aufnahme von R. Bode 1985

Ab 1990 überlegten sich die Mitglieder des Stiftungsrates und der Konservator, welche neuen Wege eingeschlagen und welche Massnahmen ergriffen werden müssten, um das Museum noch attraktiver, zeitgemässer und aktueller und vor allem, von der Betriebsseite her, selbsttragend zu machen.

Mehrere Jahre arbeitete ein Team von Museologen und Museumspädagoglnnen an einem Sanierungskonzept für das Museum Bally-Prior in Schönenwerd. Für das Umsetzen der Pläne wurde mit etwa einer Million Franken gerechnet. Dieser Betrag sollte durch Sponsoren gedeckt werden. Kanton, Gemeinde, Pro Patria bewilligten namhafte Beträge. Auch von privater Seite wurde das Projekt tat- und finanzkräftig unterstützt. Die grossen Sponsoren, insbesondere grössere Beiträge aus Industriekreisen, blieben jedoch aus. Zwar konnte mit über 400'000 Fr. an Sponsorleistungen gerechnet werden. Aber für die finanzielle Absicherung des Projektes reichte das noch nicht.

Nach reiflicher Überlegung und Rücksprache mit Behörden und Fachleuten beschloss der Stiftungsrat 2001 das Projekt der Neugestaltung abzubrechen.

Im Frühjahr 2003 wurde die Veräusserung der Mineraliensammlung publiziert. Etwas über 70 Lose mit insgesamt über 3'100 Stufen wurden in Listenform im WWW ausgeschrieben. Interessenten konnten im April 2003 diese und weitere Mineralien-Lose besichtigen und ersteigern wobei Museen ein Vorrecht eingeräumt wurde. Unverkaufte Lose gingen später nach schriftlichem Gebot mit Priorität an Museen oder schliesslich an private Käufer.
Im Gebäude befindet sich heute das Zündholzmuseum.


Das Museumsgebäude steht heute unter Heimatschutz.


Der Verkaufsanlass war gleichzeitig auch der letzte Moment, die seit längerem geschlossene Sammlung noch einmal zu besichtigen und ein paar fotografische Impressionen zu sammeln.

Das Ausstellungsgut - die Sammlung - neue Orte

Um 1985 zählte die mineralogische Abteilung ca. 10'000 Stufen. Ein sehr grosser Teil entstammte aus alten Kollektionen (1896, E. Poodorf, Denver: Bisbee Mineralien; 1900-1920, Dr. L. Bondy, Wien: Meteorite aus dem K.K. Museum; 1920, Dr. Kürschner, Wien: ca. 2'400 Mineralien; 1920, A. Strub, Simplon: ca. 200 Mineralien aus dem Simplontunnel). Die Sammlung war gegliedert in "Mineralien der Schweiz" mit 300 besonderen Exponaten geordnet nach Fundregionen (Jura, Mittelland, Kalkalpen, Aar- und Gotthardmassiv), einem "Makrotisch" mit 30 Kleinmineralien (beso. Lengenbach) und der grossen systematischen Sammlung (über 4'000 Exponate von über 600 Mineralarten).

Folgende Mineralien sind besonders erwähnenswert nach eigener Beurteilung und gemäss R. Bode und U. Burchard (1985, "Mineralien Museen in Westeuropa", 269 Seiten, Bode Verlag, Haltern) mit * gekennzeichnete Mineralien wurden als "ausgezeichnet" bewertet, die anderen "gut bis sehr gut" - nicht für alle, der in diesem Buch beschriebenen Mineralarten, konnte die Existenz oder die zukünftigen Besitzer eruiert werden:

Mineral Fundort Neuer Ausstellungsort
Aus der Schweiz:
Goyazit*(1) Simplontunnel, VS (P)
Dawsonit*, Anhydrit*, Rutil Simplontunnel, VS NMB
Grossular*, Diopsid* Pollux, Zermatt, VS NMB
Cafarsit* Lercheltini, Binntal, VS NMB
Grischunit(1) Oberhalbstein, GR (P)
Phenakit Galenstock, VS NMB
Hämatit Bächital, Reckingen, VS IMPG
Fluorit rosa, Quarz (Morion) Göscheneralp, UR IMPG
Hämatit La Fibbia, TI IMPG
Monazit Val Nalps, GR IMPG
Epidot, Amiant Val Russein, GR IMPG
Adular* Piz Starlera, GR Curaglia
Diverse grössere Quarze, Gwindelgruppen, Rauchquarze und Morione Aarmassiv UMF
Gold Calanda, GR NMB
Rauchquarz (35kg) Binntal, VS FTISS
Andere Fundstellen:
Azurit, Kupfer gediegen Bisbee, Arizona, USA (P)
Argentit Freiberg, Sachsen, D (?)
Dyskrasit, Miargyrit, Stephanit, Pyrargyrit, Samsonit St. Andreasberg, Harz, D (?)
Amethyst Porkura, Ungarn (?)
Devillin Herrengrund, Ungarn MGL
Euchroit Libethen, CSSR (?)
Epidot Knappenwand, Ö IMPG
mehrere Baryte Cumberland, GB MGL und FTISS
Pyromorphit Friedrichssegen, Bad Ems, D (?)
Gold auf Quarz, (Neueingang 1996) Eagle-Nest Mine, USA (P)
Grossteil der Systematik-Sammlung weltweit MGL
Meteoritensammlung* mit über 500 Exponaten weltweit "Mystery-Park"
(1) = aus Makro-Tisch; (P) = Privat; (?) = Existenz/Verbleib unklar.

Kontaktinformationen und -personen:

  • NMB: Naturhistorisches Museum Basel
    (http://www.nmb.bs.ch/)
    Kontakt: Dr. André Puschnig

  • IMPG: Institut für Mineralogie, Petrologie und Geochemie Freiburg i. Br.
    (http://www.minpet.uni-freiburg.de/)
    Kontakt: Prof. Dr. K. Bucher.
    Die Ausstellung befindet sich zur Zeit noch im Aufbau, viele Vitrinen sind aber bereits bestückt und können zu den üblichen Öffnungszeiten des Instituts (Mo-Do 8-16, Fr. 8-12) besichtigt werden.

  • Curaglia: Mineralienmuseum Curaglia, Gemeindehaus, CH-7184 Curaglia (GR);
    Kontakt: Giusep Venzin (Fuorns) oder Toni Venzin (Curaglia)

  • UMF: Urner Mineralienfreunde, Seedorf (UR)
    (http://www.mineralien.ch/08/umf/umf1.htm)
    Kontakt: Bruno Müller
    Der Ausstellungsraum beim Mineralienmuseum Seedorf wird noch umgebaut, Ausstellungsbeginn 2005.

  • MGL: Musée Géologique Lausanne (Geologisches Museum Lausanne)
    (http://www-sst.unil.ch/Musee/)
    und RegArt: Musée cantonal de géologie
    beherrbergt die grösste systematische weltweite Mineraliensammlung der Schweiz.
    Kontakt: Dr. Nicolas Meisser

  • FTISS: Fondation Tissières, Martigny (VS)
    (http://www.fondation-tissieres.ch/)

  • "Mystery Park" Interlaken
    (http://www.mysterypark.ch/)


Anekdoten

"Bes. Kennzeichen: 1 gr. Zapfen"

Anlässlich eines Besuches eines Freundes in Übersee wollte ich ein besonderes Geschenk mitbringen. Eine ästhetische Stufe aus dem ersteigerten Quarz-Los war schnell gefunden, eingepackt und im Koffer verstaut. Im Hotel kontrollierte ich vor dem Besuch noch einmal den Zustand der Gruppe. Da erst fiel mir auf, dass da eine Bruchstelle unter dem "grossen Zapfen" mit abgesplitterten Quarz doch sehr seltsam war. Eine genauere Inspektion ergab, dass es sich da tatsächlich um eine Montage handelte. Der "Künstler" hatte den Leim mit kleinen Periklinen und Quärzchen vermischt und so sein Werk zu vertuschen versucht. Man beachte, dass die Stufe die Katalognummer 72 trägt, infolgedessen um das Jahr 1907 für Fr. 4.- angeschafft worden war. Da ich nicht mit leeren Händen dastehen wollte, verschenkte ich meinem Freund die angeblich vom Gotthard stammende Bergkristallgruppe mitsamt der Dokumentation und teilte ihm meine Entdeckung gleich mit. Er hatte trotzdem sehr Freude und erzählte mir, er habe ein spezielles Tablar mit der überschrift "long winter specimens from Switzerland"...

Offensichtlich war das nicht die einzige derartige Stufe. Beim Reinigen sind da und dort enttäuschende Feststellungen gemacht worden. Eduard Bally-Prior wurde offenbar manchmal übers Ohr gehauen. Vor allem bei den Stücken aus dem Simplontunnel dürfte das eine oder andere Prachtstück während langen, kalten Winterabenden entstanden sein. Ob das von ehemaligen Konservatoren des Bally-Museums verdrängt oder nicht erkannt wurde, entzieht sich unserer heutigen Kenntnis.

Die grosse Adularstufe

Im Museum befand sich auch eine ziemlich verstaubte, grosse Adularstufe aus dem Riesenfund von Adularen aus den fünfziger Jahren von Giusep Venzin (Fuorns, GR). Da Giusep Venzin heute auch für das kleine Mineralienmuseum in Curaglia (GR) zuständig ist, teilte ich ihm mit, dass diese Gruppe nun zur Versteigerung stehe. Er konnte sich noch am Telefon sofort an die Bergung der Gruppe erinnern: er hatte die 95 kg schwere Gruppe 1959 an der Starlera (Val Cristallina, GR) gefunden, auf dem Rücken zu Tal getragen und war anschliessend zwei Wochen arbeitsunfähig.
2003 gelang es das nötige Geld zu beschaffen und die Gruppe für das Museum zu ersteigern. Der Transport einer 75 x 50 x 30 cm grossen und fast hundert Kilo schweren Kristallgruppe stellte sich aber für mich auch heute noch als eine Herausforderung dar. Auf einem eigens zu diesem Zweck gezimmerten Brett mit Kufen und zwei Strahlstöcken als Griffe gelang es, die Gruppe aus dem Kellergeschoss ins Auto zu tragen. Danach ging die Reise der Gruppe von Schönenwerd über Bülach ins Val Medel schliesslich doch ohne nennenswerte Probleme vonstatten. Nach einer mehrmaligen gründlichen Reinigung ist die einzigartige Gruppe nun im Ursprungstal im Mineralienmuseum (im Gemeindegebäude) in Curaglia am Lukmanierpass der Öffentlichkeit wieder zugänglich.

Schlusswort

Die Schliessung eines derartigen Museums ist ausserordentlich bedauerlich - dass, die Stiftung anderen Museen ein Vorrecht eingeräumt hat, verdient Anerkennung - es bleibt zu hoffen, dass nun zumindest Teile davon wieder öffentlich zugänglich gemacht werden.

Sollten bedeutende Stufen aus der Bally-Prior-Sammlung (insbesondere solche, die oben mit (?) oder (P) gekennzeichnet sind) irgendwo auftauchen, ist der Autor gerne bereit, die Liste zu aktualisieren (- Email genügt).

Für weitergehende Auskünfte und die Durchsicht des Textes möchte ich Herrn P. Monnerat von der Bally-Prior-Stiftung meinen herzlichen Dank aussprechen.

Olivier Roth

Die Bilder:

Im folgenden werden Bilder vom Tag der Versteigerung im April 2003 mit herausragenden Exponaten der Sammlung präsentiert.
Legende:
L=Länge, B=Breite, H=Höhe, KL=Länge Kristall, BB=Bildbreite
F=Fundort

quarz kristall ein mineral
Letzte Änderung dieser Seite: 03.11.2020 01:58:07
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