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Sonderschau Mineralienmesse Zürich 2009: Kanton Tessin

Das Thema der 49. Internationalen Mineralien- und Fossilienmesse Zürich 2008 hiess "Kostbarkeiten aus dem Kanton Tessin"


Anlässlich der Mineralienbörse in Zürich hat der Studienkreis Zürcher Mineraliensammler eine beachtenswerte Sondeschau organisiert. Die Highlights dieser Ausstellung werden hier wieder gegeben.

Geologie des Tessins

von Dr. Eric Reusser und Dr. Barbara Kuhn (beide ETH-Zürich)

In geologischer Hinsicht ist der Kanton Tessin durch die Insubrische Linie zweigeteilt. Die Insubrische Linie (rote Linie auf der Karte) ist die grösste Störungszone der Alpen und verläuft Ost-West vom Passo San Iorio durch die Magadino-Ebene ins Centovalli. An ihr wurde das Nordtessin um etwa 25 km gegenüber dem Süden gehoben und um ca. 40-60 km gegen Osten versetzt. Die Insubrische Linie trennt die geringfügig verformten und alpin praktisch unmetamorphen Südalpen von den stark verfalteten und hochmetamorphen Zentralalpen im Nordtessin (metamorph = umgewandelt, z.B. Sediment in Schiefer).

Südlich der Insubrischen Linie besteht das kristalline Grundgebirge der Südalpen (rosa Töne) vor allem aus Gneissen und Glimmerschiefern und wird im Raume Luganersee gegen Süden hin von permischen Vulkaniten (z.B. Granophyr von Carona) und einer triadischen Sedimentgesteinsabfolge überlagert, welche ein grosses Meeresbecken aufgefüllt haben. Das Riff am Monte San Salvatore und die Fossilien-Funde vom Monte San Giorgio sind Zeugen aus dieser Zeit. Im Osten (Monte Generoso) stammen die jüngsten Ablagerungen aus der Jurazeit.

Die Zentralalpen nördlich der Insubrischen Linie bestehen vorwiegend aus einem Stapel von Gneiss-Decken (Tessiner Gneisszone). Durch die grosse Verkürzung in NW-SE Richtung, die dieses Gebiet während der Alpenfaltung erlebte, wurde der kristalline Untergrund mit seiner Sedimentgesteinsbedeckung zu nach Norden schliessenden Grossfalten verformt. Diese besitzen einen Kern aus Gneissen mit granitischer Zusammensetzung (dunkelrosa), der umhüllt wird von Gneissen und Glimmerschiefern sedimentärer Herkunft (Schieferhüllen, hellrosa). Im Stirnbereich der Falten ist die mesozoische sedimentäre Bedeckung in Form von Dolomitgestein (gelb) und Bündnerschiefern (blaugrau) erhalten (z. B. Campolungo), welche im Norden in die Sedimentbedeckung des Gotthard-Massifs übergehen (Val Bedretto, Val Piora, Lukmaniergebiet). Ganz im Norden des Tessins bildet das Gotthard-Massif (Grundgebirge, rot) eine starre Barriere.

Die alpine Metamorphose hat alle Gesteine nördlich der Insubrischen Linie umgewandelt. Der Umwandlungsgrad nimmt gegen Süden zu. Die Metamorphose äussert sich in Mineralvergesellschaftungen, welche charakteristisch für die jeweiligen Gesteinstypen sind.

So finden sich in den Hüllschiefern typischerweise Kyanit, Staurolith, Granat und Turmalin (Alpe Sponda). In den umgewandelten Dolomitgesteinen (Dolomitmarmor) treten Tremolit (Campolungo), Talk und gegen Süden hin Diopsid auf. In den metamorphen Tongesteinen findet man in der Region Bellinzona sogar Sillimanit. Die zu Kalkglimmerschiefern umgewandelten Bündnerschiefer enthalten u.a. Skapolith.

Entlang der Insubrischen Linie sind die Gneisse der Zentralalpen steil bis vertikal gestellt (Südliche Steilzone). In der Steilzone finden sich tonalitische Gesteine (Epidot-Hornblende-Gneiss), die zum westlichen Ausläufer der Bergeller Intrusion gehören. Im Westen, südlich der Insubrischen Linie (zwischen Lago Maggiore und Centovalli) treten basische bis ultrabasische Gesteine auf, die zur Ivreazone gehören. Diese speziellen Gesteine stammen ursprünglich aus dem oberen Erdmantel (ultrabasische, giftgrün) und aus der Grenzregion zwischen Erdmantel und unterer Erdkruste (basische, blau).


Geologische Karte des Kantons Tessin Kantons- und Bezirksgrenzen (aus Geol. Karte 1:500'000;
Darstellung überlagert auf Google Earth mit Geländemodell). Die Insubrische Linie ist rot gestrichelt etwa in Bildmitte eingezeichnet.





Sonderschau: Kostbarkeiten aus dem Tessin

Von Dr. Olivier Roth (Präsident Studienkreis Zürcher Mineraliensammler)

Wie dem vorangehenden Beitrag zu entnehmen, ist die Geologie des Tessins sehr mannigfaltig und so sind auch die Mineralfunde. Allerdings nehmen die kluftgebundenen Vorkommen von Norden nach Süden ab. Im folgenden werden ein paar der Fundstellen beschrieben, die herausragende Funde hergegeben haben.

Ganz im Norden wird auf vielen, insbesondere historischen Stufen "San Gottardo" oder "Gotthard" als Fundort angegeben. Und tatsächlich liegen in der Nähe des Passes ein paar bedeutende Fundstellen für begehrte Mineralien: Fibbia und Lucendro-Gebiet lieferten wunderbare Eisenrosen, die zu den besten der Alpen gehören. In der Tremola wurden hervorragende Tessinerquarze mit Aktinolith-Einschlüssen gefunden. Aber auch in den angrenzenden Gebieten wurden bemerkenswerte Funde gemacht. Berühmt sind da die Stufen von Nadelquarz, die an mehreren Stellen im Bedrettotal vorkommen und dank ihrer Form und Reinheit zu gesuchten Sammlerstufen gehören. Das Val Cristallina hat seinen Namen offensichtlich von den hier häufig vorkommenden Kristallen im Tessinerhabitus.

"Tessinerquarz"

Quarz im Tessinerhabitus, Fundort Valleggia, TI. Foto: Olivier Roth
 

Quarz im Normalhabitus, Fundort Planggenstock, UR. Foto: Olivier Roth
Quarzkristalle mit einem stufenförmigen, "zugespitzten" Aufbau zeigen den sogenannten "Tessinerhabitus". Die Form entstand durch abwechslungsweises Wachstum von Prisma und Pyramide wobei je nach Abfolge eher gerundete oder spitzige Formen entstanden. Die Gründe für diese Wachstumsform sind einerseits bei den höheren Temperaturen und andererseits bei einer Wachstumslösung mit mehr CO2 zu suchen.


Weitere bekannte Fundpunkte im Bedrettotal liegen im Valleggia-Gebiet (z.B. rote und blaue Anatase), Poncione Cavagnolo und im Naret-Gebiet, wo besonders schöne Titanite gefunden wurden. Weiter talabwärts gibt es mehrere Fundorte in der Leventina. Nordseitig wurden beim Sellasee und Lago di Ritom Quarze, Periklin und Muskovit mit rotem Rutil, Titanit, Pennin und vielen weiteren Mineralien gefunden. Im Val Canaria wurde in den 60er Jahren grosse Bergkristalle gefunden. Von der Südseite der Leventina sind Korunde und grüne Turmaline in weissem Dolomit des Campolungo in die Sammlungen gelangt.

Beim Lago di Tremorgio wurden Edelskapolithe entdeckt. Am noch weiter südlich gelegenen Pizzo Forno wurden sehr schöne Kyanite und Staurolithe gesteinsbildend in weissem Paragonitschiefer gefunden.

Im Bleniotal hat insbesondere Camperio dank sehr mineralienreichen Funden mit teilweise grossen Quarzen unter Mineraliensammlern Bekanntheit erlangt.

Auch in den zahlreichen Granitsteinbrüchen im ganzen Kanton wurden schöne Mineralfunde getätigt, doch werden derzeit viele dieser Stellen mit Aushub aus dem NEAT-Tunnel aufgefüllt.

Das Bavenotal mit seinen umliegenden Bergen hat in letzter Zeit durch grosse Rauchquarze im Tessinerhabitus Aufmerksamkeit erlangt. Im Cavagnoli-Gebiet wurde 2003 ein ausserordentlicher Euklas-Fund getätigt. Im Gebiet des hinteren Centovalli wurde vor wenigen Jahren ein sensationeller Zirkonfund mit Kristallen bis zu 9cm entdeckt.

Mehrere der genannten Mineralfunde gehören zu einmaligen Vorkommen in den Alpen. Entweder sind die Funde einzigartig oder die geförderten Kristalle sind im Tessin von ausserordentlicher Grösse und Schönheit.

Hier soll darauf hingewiesen werden, dass das Sammeln von Mineralien im ganzen Kanton patentpflichtig ist und in gewissen Gemeinden noch ein zusätzliches Patent erworben werden muss. Weiter könnte das Sammeln durch die Schaffung von Nationalpärken in Zukunft eingeschränkt werden. Interessierte wenden sich für die Strahler-Bewilligung an die entsprechenden Behörden.

Viele ausgezeichnete Vertreter der oben beschriebenen Mineralien sind an der Sonderschau "Kostbarkeiten aus dem Tessin" zu bewundern - aus gut 20 Sammlungen haben Leihgeber Top-Stufen zur Verfügung gestellt!

Carlo Taddei hat gut 60 Jahre seines Lebens (1880-1969) der Mineralogie des Tessins gewidmet. Er besuchte alle bedeutenden Fundstellen selber und viele Sammlungen enthalten Stufen von ihm. Seine Funde dokumentierte er sorgfältig mit Fotos und Erläuterungen. So publizierte er auch 1937 das Buch 'Dalle Alpi Lepontine al Ceneri, note di mineralogia' (Istituto Editoriale Ticinese, Bellinzona, 179 Seiten), aus welchem Parker et al. viele Informationen für ihr ihr Standardwerk "Die Mineralien der Schweizer Alpen" (1940, Wepf Verlag, Basel, 2 Bände, 661 S.) übernehmen konnten. Carlo Taddei blieb der erhoffte Doktor Honoris Causa allerdings trotzdem verwehrt. Zwei Sammlungen vermachte er den Museen von Lugano und der ETH-Zürich - aus letzter sind ca. 12 Stufen in der Sonderschau ausgestellt worden (und 3 hier abgebildet).

"Der Riesentitanit vom Val Maggia"

In der mineralogischen Sammlung der ETH-Zürich befindet sich ein grosser Titanit von 5x6cm mit der Nummer Po6282 und Fundortangabe "Valle Maggia". Das Stück wurde längere Zeit als einer der grössten Titanit-Kristalle aus dem Tessin angesehen.
Dem umsichtigen Kurator Dr. Peter Brack ist aber aufgefallen, dass Farbe, Grösse und die (ärgerliche) Bruchfläche mit einem ganz anderen Stück der Sammlung Ähnlichkeiten aufweisen. Eine Überprüfung ergab, dass obiger Kristall perfekt zum noch grösseren Titanit von 7x6cm mit der Nummer Po6300 und ganz anderen Fundortangabe "Eisbruckalpe, Pfunderstal, Tirol" passt...
Nachtrag I: Wie Lorenz Gluderer aus Südtirol bemerkt hat, ist auch die Etikette des Stückes von der Eisbruckalpe nicht korrekt. Letztere liegt im Südtirol (Italien) und nicht in Tirol
Nachtrag II (von Peter Brack, ETH-Z): Der Titanit kam im 6. Jahr des Polytechnikums (also etwa um 1861) in die ETH-Sammlung. Das waren K. und K.-Zeiten und Tirol war damals eben Tirol (und nicht Nord-, Süd, und Osttirol) und somit integraler Bestandteil der Österreichischen Kaiserreichs. Südtirol ging erst 1918 an Italien. Das Schildchen wurde wohl kurz vor dem ersten Welkrieg gedruckt.
So grosse Titanitkristalle aus der Schweiz sind im Gegensatz zu Österreich oder Südtirol kaum je gefunden worden. Wie diese "Fundortverschiebung" zu Stande gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Aber Experten sind sich einig, dass der Südtiroler Fundort für "beide" Stücke gilt.




Auf der Karte des Kantons Tessin sind die Bezirke, Gewässer und einige mineralogisch erwähnenswerte Gebiete eingezeichnet.

Folgende Leihgeber haben zum Erfolg der Sonderschau beigetragen:
  • Brughera, Franco (CCMFT, Club Cercatori Minerali Fossili Ticino)
  • Dollinger, Hannes
  • Donati, Dante
  • Duthaler, Rudolf
  • ETH-Zürich (inkl. Sammlung Taddei) ( Erdwissenschaftliche Sammlung und Ausstellung)
  • Fischer, Walter (geschliffene Steine aus dem Tessin)
  • Frigerio, Guido
  • Girlanda, Fabio
  • Guerra, Remo
  • Hurst, Robi
  • Koch, Kurt
  • Meister, Hans
  • Peterposten, Carlo
  • Reimann, Bernhard
  • Rizzi, Flavio
  • Roth, Olivier
  • Stalder, Chris
  • Stefana, Delio
  • Stöckli, Kuno
  • Walter, Roli
  • Wolf, Ueli
  • weitere anonyme Leihgeber

Wer sich regelmässig über Mineralien und Fossilien aus dem Tessin informieren möchte, abonniert am besten die Zeitschrift "L'Anatasio" vom CCMFT, Club Cercatori Minerali Fossili Ticino.


Die Bilder:

Die folgenden Bilder stellen eine stattliche Auswahl einiger besonders eindrücklicher Stufen dar - allerdings waren an der Ausstellung ca. 300 erstklassiger Stufen zu bewundern.
Legende:
L=Länge, B=Breite, H=Höhe, KL=Länge Kristall, BB=Bildbreite, F=Fundort.

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quarz kristall ein mineral
Letzte Änderung dieser Seite: 03.11.2020 00:58:06
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